Meine Corona-Gedanken

Nichts ist derzeit mehr so, wie es noch vor wenigen Tagen war. Das Coronavirus hat uns regelrecht im Würgegriff und zwingt uns zu drastischen und notwendigen Schutzmaßnahmen. Sind wir darauf vorbereitet? Was macht das alles mit uns – in einer Zeit, in der Begegnungen eigentlich so wichtig, aber gar nicht möglich sind?

Mir gehen – bzw. Mama und Papa als mein „Sprachrohr“ – viele Gedanken durch den Kopf, die ich erst einmal sortieren muss. Und die ich auch mal loswerden muss in dieser Zeit.

Wer von Euch meinen Blog regelmäßig liest, weiß ganz genau, wie wichtig für mich Begegnungen sind. Begegnungen sind das A und O der Inklusion, weil sie erst das gegenseitige Verstehen und Verständnis fördern. Diese räumlichen Begegnungen fallen nun – richtigerweise! – weg. Daher müssen wir uns anders begegnen. Nicht räumlich, sondern in Gedanken, solidarisch. Indem wir unsere Perspektive weiten und uns anderen öffnen. Gerade in diesen Zeiten.

Wir alle stehen jetzt vor großen Aufgaben. Jeder ist damit beschäftigt, sein Umfeld, seinen Kosmos zu organisieren – da bleibt kaum Zeit und Ruhe dafür, sich umzusehen und zuzuhören. Und doch ist es notwendig.

Wie schön wäre es, wenn diejenigen dann etwas mehr Gehör finden, die oftmals untergehen in der Öffentlichkeit. Die unerhört, unsichtbar sind?

Eltern, die ihre schwer mehrfachbehinderten Kinder zuhause pflegen, stehen jetzt vor einem Dilemma: Einerseits gehören die Kinder oftmals zu den Corona-Risikogruppen, so dass die Familien sich komplett abschotten müssen. Ohne Unterstützung – also „Buddys„, die nach Hause kommen – ist die Rund-um-die-Uhr-Pflege und Betreuung aber nicht leistbar. Ein schmaler Grat, ein Balanceakt.

Damit Ihr mich nicht falsch versteht: Ich möchte nicht jammern oder sagen, wir sind „schlechter“ dran als andere. Es geht mir nicht um einen Vergleich oder gar um Mitleid – sondern darum, gehört zu werden und für mehr Begegnung zu werben. ABER: gedanklich, nicht räumlich. Und gerade jetzt, in dieser Zeit.

Der Inklusions-Leuchtturm

Und es gibt sie doch: die Inklusions-Leuchttürme, die Vorbilder, Vorreiter und tollen Projekte, die zeigen, dass wir gemeinsam doch vieles in Sachen Teilhabe erreichen können. Der Zoo Osnabrück hat die „Toilette für alle“ offiziell eröffnet – oder besser: geöffnet für Nutzer wie mich.

Ich hatte Euch ja schon von diesem tollen Projekt erzählt, dessen Geschichte ich einfach nochmal erzählen muss. Da kommt die Lebenshilfe auf den Zoo zu und fragt, ob der Zoo sich den Bau einer solchen „Toilette für alle“ vorstellen kann. Der Zoo ist begeistert, hat zufällig einen leerstehenden Raum, der sich dafür eignet und einen Mitarbeiter, der das mit vollem Elan und grandiosem Engagement vorantreibt.

Der holt den Chef einer Osnabrücker Sanitärfirma dazu, die die Leitungen und Rohre als Sachsponsoring verlegen, sowie das Osnabrücker Rehatechnikhaus Gehrmeyer, die den mobilen Lifter sponsern. Fertig ist das vorbildliche und einzigartige Inklusions-Partnerschaftsprojekt.

Wir Menschen mit hohem Pflegebedarf profitieren jetzt davon und können ein Stück mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Osnabrück hat jetzt zwei solcher „Toiletten für alle„-Standorte im Zoo und in der Innenstadt – und ist damit dank der tollen Partner ganz weit vorne… Daumen hoch!!!

Vorzeige-Ferien-Inklusion

Inklusion ist ja manchmal gar nicht so schwer. Was wir dafür brauchen, sind eigentlich „nur“ tolle Menschen und die passenden Orte der Begegnung. Wie das funktionieren kann, habe ich jetzt in den Osterferien und der Ferienbetreuung selber erleben dürfen…

Ferienbetreuung ist ja generell nicht so einfach. Dabei habe ich es insofern gut, dass ich an meiner Förderschule kürzere Ferienzeiten habe als die Schüler an den Regelschulen. Im Sommer sind es 3 Wochen (anstatt an Regelschulen 6 Wochen), davon bietet meine Schule an 2 Wochen einen Hort an. Jetzt zu Ostern mussten Mama und Papa „nur“ 5 Ferientage überbrücken.

Wobei das „nur“ auch bei 5 Tagen nicht so einfach ist: Welcher „Buddy“ hat wann Zeit, wie kriegen wir das organisiert etc. Und da tat sich jetzt eine tolle Möglichkeit auf… Mein langjähriger Buddy Carina – die eigentlich in Düsseldorf lebt und arbeitet und immer nur zwischendurch auf Heimaturlaub in Osnabrück ist – hat in ihrem Osterurlaub ehrenamtlich in der Ferienbetreuung ihrer Kirchengemeinde mitgearbeitet. Und hat mich kurzerhand an 2 Tagen mit dorthin genommen.

Aufmerksame Leser stutzen jetzt vielleicht: Da war doch schon mal was… Genau! Carina hatte mich vor 5 Jahren schon mal mit dorthin genommen – als erstes und einziges Kind mit Behinderung. Darüber gab es damals einen ganz tollen Artikel… Dahinter steckt ein tolles Gemeindeprojekt mit dem Namen „Jedes Kind braucht einen Engel“ – und tolle Menschen, die ein solches Projekt tragen und leben.

An den jetzigen 2 Tagen war ich wieder das einzige Kind mit Behinderung in der Ferienbetreuung. Natürlich hatte ich Carina an meiner Seite – aber (so sagte es auch der Diakon Jörg Christian Lindemann) es war toll zu erleben, wie wir alle gegenseitig voneinander profitiert haben.

So einfach kann Inklusion sein… Wir müssen es nur wollen und angehen… Euch allen frohe Ostertage!