An der Realität vorbei

Ich habe hier ja schon einige Male erklärt, wie notwendig für uns die sogenannte Verhinderungspflege und die Kurzzeitpflege sind. Dabei ist es besonders wichtig, dass wir diese Entlastungsmöglichkeiten und -töpfe flexibel nutzen können. Aber das soll sich ändern – wenn es nach den Plänen des Bundesgesundheitsministerium geht. Einfach unfassbar und komplett an der Realität und dem Bedarf vorbei…

Nochmal für alle zur Erklärung: Kurzzeitpflege bedeutet, dass ich für einige Tage in Einrichtungen wie der Kupferhof in Hamburg gepflegt werde und wir alle verschnaufen und uns ein wenig erholen können. Verhinderungspflege ist hingegen eine stundenweise Pflege durch eine Pflegeperson, wenn Mama und Papa mal verhindert sind.

Und das kommt nicht selten vor, so dass dieser Topf eigentlich immer schnell leer war. Gut war bislang, dass die Töpfe – in meinem Fall mit Pflegegrad 5 jeweils 1.612 Euro – flexibel kombiniert werden können. Bislang…

Das Bundesgesundheitsministerium will das jetzt ändern. So steht es zumindest in einem Papier zur Pflegereform. Demnach sollen für die Verhinderungspflege nur noch maximal 40 Prozent des Gesamtjahresbetrags zur Verfügung stehen! Um es mal aus der Sicht einer Betroffenen zu formulieren: unfassbar, an der Realität vorbei und ein Skandal!

Die Fachverbände haben sich bereits dagegen ausgesprochen, außerdem gibt es eine Online-Petition dagegen: „Keine Einschränkung der Flexibilität von Verhinderungspflege durch die Pflegereform 2021!“ Meine Bitte: unbedingt unterzeichnen!

Ich weiß nicht, wer sich so was in den Ministerien ausdenkt… Sitzt da niemand, der weiß, wie es in der Realität aussieht???

UPDATE, 22.03.: Die Fachverbände haben heute nochmal öffentlich ihre Empörung geäußert, wie das Bundesgesundheitsministerium die Belange von Menschen mit Behinderung und ihren Familien ignoriert: „Das ist ein Schlag ins Gesicht für Eltern behinderter Kinder.“ Genauso ist es.

Im Corona-Glück – vorerst

Gut gelaut zurück aus meiner Kupferhof-Woche bin ich seit heute wieder in der Schule – in der jetzt in der sogenannten „Lockdown light„-Zeit wieder vieles anders ist. So gilt auch bei uns jetzt die Maskenpflicht auch für uns Schüler. Und heute Nachmittag kam dann noch die Nachricht, dass es in meiner Schulklasse einen bestätigten Corona-Fall gibt – und ich die einzige bin, die weiter zur Schule darf…

Aber mal alles der Reihe nach… Gestern kam zunächst die Info, dass nun auch wir Schüler eine Maske in der Schule tragen müssen – was ich grundsätzlich völlig richtig finde in der heutigen Zeit. Allerdings kann ich aufgrund meiner Beeinträchtigungen nun mal keine Maske tragen – das klappt beim besten Willen nicht. Also haben Mama und Papa von unserer Kinderärztin eine Bescheinigung zur Befreiung geholt.

Soweit so gut. Die ganze Entwicklung lässt uns aber irgendwie ratlos zurück. Denn auch in Osnabrück gilt ja mittlerweile eine Maskenpflicht in der gesamten Innenstadt. Was ist nun aber, wenn ich mal mit Mama und Papa in der Innenstadt unterwegs bin? Zum Beispiel am Freitag, wenn ich zum Zahnarzt muss? Muss ich dann meine Bescheinigung vor mich her tragen – um so zu verhindern, dass wir von anderen komisch angeguckt werden? Ach wie schön wäre es, wenn es seitens der Verantwortlichen etwas mehr Transparenz und Aufklärung darüber gäbe, dass es auch Menschen gibt, die keine Maske tragen können und daher von der Pflicht befreit sind…

Leider passiert das aber nicht. Und so wird es weiter Nachrichten und Meldungen geben, dass Menschen mit einer auf den ersten Blick nicht so offensichtlichen Behinderung angepöbelt werden, wenn sie keine Maske tragen – trotz einer Bescheinigung über die Maskenpflicht-Befreiung. Und das ist sehr bitter…

Was schließen wir daraus? Wir werden die Innenstadt so gut es geht meiden, um genau solche Situationen zu vermeiden. Das nennt man dann übrigens Exklusion – das Gegenteil von Inklusion…

Aber zurück zum Thema: Heute Nachmittag kam die Info, dass es einen bestätigten Corona-Fall in meiner Klasse gibt. Alle müssen jetzt zuhause bleiben – nur ich nicht. Warum? Ich war vergangene Woche ja gar nicht in der Schule, sondern im Kupferhof. Somit hatte ich keinen Kontakt – und kann nun weiter zur Schule gehen, wenn auch dann in eine Nachbarklasse der gleichen Kohorte.

Das nennt man dann irgendwie „Glück in Corona-Zeiten“ – zumindest vorerst. Denn machen wir uns nichts vor: Jetzt startet in den Schulen zwar das sogenannte „Szenario B“ mit geteilten Klassen. Aber es ist eine Frage der Zeit, dass alle Schulen schließen. Und das wird mit Blick auf die rasant steigenden Corona-Zahlen schon bald der Fall sein… Tolle Aussichten…

In der Kupferhof-Blase

Seit Samstag bin ich wieder im Kupferhof. Erst mit Papa und seit gestern Abend alleine. Noch bis Sonntag mache ich hier „Urlaub“ – der Kupferhof ist in Zeiten wie diesen wie eine kleine „Corona-Blase“.

Es heißt ja derzeit völlig zurecht „Bleibt möglichst zuhause und vermeidet unnötige Reisen“. Und dann mache ich Urlaub? Wie passt das zusammen? Sehr gut – denn zum einen ist der Kupferhof ja kein „klassischer“ Urlaub, sondern eine Kurzzeitpflegeeinrichtung. Und zum anderen bin ich da praktisch isoliert und wie in einer Blase.

Nicht nur ich, sondern auch Papa musste vorher einen Corona-Test machen, da wir aus einem Risikogebiet kommen (Osnabrück liegt mit seinem Inzidenzwert mittlerweile weit über 50…). Im Kupferhof selber gelten natürlich strenge AHA-Regeln, zudem kommt da keiner so einfach rein. Somit bin ich dort eigentlich geschützter als zuhause mit meinem Alltag und den Kontakten, die der Alltag mit sich bringt…

Papa ist gestern Abend wieder nach Hause gefahren und macht mit Mama „Zuhause-Erholung“. Am Sonntag kommen beide, um mich wieder abzuholen. Dann sammeln sie mich sozusagen „nur“ an der Tür und mich gepacktem Koffer wieder ein. So müssen sich nicht den Kupferhof betreten und auch keinen neuen Corona-Test machen.

Ich genieße jetzt hier die Tage – „elternfrei“ … 😉