Business as usual

Es wird mal wieder Zeit, Euch von meinem/unseren Alltag zu berichten. Und der reicht vom spontanen Schultransport-Wechsel über einen neuen Botox-Day bis hin zu einer echt nervigen Auseinandersetzung mit unserer Krankenkasse. Business as usual…

Aber fangen wir mal mit einem Thema an, das glücklicherweise einen guten Verlauf genommen hat: Wie Ihr wisst, fahre ich ja morgens per Bulli zur Schule und nachmittags wieder zurück – was eine tolle Sache ist. Wichtig ist für mich dabei, dass ich das Bulliteam gut kenne bzw. das Bulliteam mich gut kennt. Vertrauen ist das A und O.

Vor gut zwei Wochen kam plötzlich die Nachricht, dass bei den Touren was umgestellt wird und ich kurzfristig von einem anderen Unternehmen abgeholt werde. Das löst dann doch echt Stress aus bei mir – wieder ein neues Team, an das ich mich gewöhnen muss… Aber ich habe echt Glück gehabt: Das klappt alles gut, das Team ist super. Dennoch müssen solche Spontan-Wechsel nicht zur Regel werden…

Dieses Motiv müsstet Ihr alle mittlerweile gut kennen… Genau, heute war wieder Botox-Day. Wie immer gab es 5 Spritzen nach dem üblichen „business as usual“-Botox-Prozedere. Laut Papa habe ich das alles gut mitgemacht. Dennoch gehört das wahrlich nicht zu meinen Lieblingsterminen (Stichwort: GKT). Das habe ich Papa auch unmissverständlich klar gemacht… 🙂

Was uns hier gerade aber echt richtig nervt und ärgert, ist ein erneuter Kampf mit unserer Krankenkasse. Diesmal geht es um die Kostenübernahme für die sog. Behandlungspflege während meiner Kupferhof-Aufenthalte. Darauf habe ich wegen meiner Anfälle Anspruch, und meine Krankenkasse hat das in den vergangenen Jahren auch immer bewilligt.

Nun meint die Krankenkasse plötzlich, die Kostenübernahme ablehnen zu müssen und argumentiert, es sei „keine Notwendigkeit“ mehr gegeben. Eine interessante Argumentation – wenn man bedenkt, dass ich in der Nacht vor meinem letzten Kupferhof-Aufenthalt noch einen generalisiert tonisch-klonischen Anfall hatte.

Papa hat natürlich Widerspruch eingelegt. Und weil die Krankenkasse weiterhin „Nein“ sagt, hat Papa das alles jetzt an eine Anwältin übergeben und zudem das Bundesamt für Soziale Sicherung und auch die Beschwerdestelle Pflege im Büro der Niedersächsischen Landespatientenschutzbeauftragten eingeschaltet. Es ist echt traurig und nicht nachvollziehbar, dass wir solche Wege gehen müssen… Aber auch der Kampf um sein Recht ist – leider – business as usual… 🙁

Anerkennung oder Wegducken?

Papa hat heute einen Artikel gelesen, der bei ihm zwiespältige Gefühle ausgelöst hat. Eine Frau aus dem Landkreis Osnabrück hat die Niedersächsische Verdienstmedaille bekommen – weil sie über Jahrzehnte ihren Sohn mit Behinderung gepflegt und dafür alles andere aufgegeben hat. Ist das eine schöne Anerkennung von Care-Arbeit? Oder eher ein gesellschaftspolitisches Versagen?

Screenshot von noz.de

Zuallererst: Herzlichen Glückwunsch an Annegret Wehry! Ich freue mich wirklich sehr für sie, dass sie diese Auszeichnung erhalten hat. Trägt die Auszeichnung und die Berichterstattung doch dazu bei, dass die Angehörigenpflege einmal mehr aus der Unsichtbarkeit geholt wird. Und dieses Engagement von Annegret Wehry ist in der Tat bewundernswert.

Gleichzeitig weiß ich genau, was hinter den euphemistischen Begriffen „aufopferungsvoll“ und „Lebensaufgabe“ steckt. Annegret Wehry wird alles der Pflege ihres Sohnes untergeordnet haben. Die Pflege des eigenen Kindes mit Behinderung bedeutet: 24/7 im Einsatz, kaum Entlastung, Dauer-Kampf gegen alle Barrieren und Widerstände, gesellschaftliche Isolation. Wie mag das in den 70er oder 80er Jahren erst gewesen sein?

Annegret Wehry wird sich vermutlich komplett zurückgenommen haben: Ihren Job hat sie aufgegeben, so steht es im Artikel. Was ist mit Hobbies, Zeit für sich, Zeit für Freunde? Gab es das?

Von daher ist die Lebensleistung von Annegret Wehry mehr als auszeichnungswürdig. Aber steckt hinter dieser Auszeichnung nicht noch viel mehr? Ist es nicht eigentlich auch ein Eingeständnis des Staates, der Politik und der Gesellschaft, Menschen mit Behinderung und deren pflegende Angehörige noch immer zu vergessen und nicht zu beachten?

Die häusliche Pflege wird noch immer nicht wertgeschätzt. Familien wie wir sind unerhört und unsichtbar. Das hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt. Wenn dann eine bewundernswerte Frau wie Annegret Wehry ausgezeichnet wird, ist das auch das politische und gesellschaftliche Eingeständnis: „Wir haben Dich 53 Jahre nicht im Blick gehabt und nahezu nichts dafür getan, Dich und Deine Familie zu entlasten.“

Dennoch hoffe ich, dass viele weitere pflegende Angehörige eine solche Auszeichnung erhalten. Verdient haben es alle.

Wenn’s um Geld geht…

Ich stelle hier ja immer wieder mal Petitionen vor. Das mache ich insbesondere, um auf auch mich betreffende und zu wenig beachtete Themen aufmerksam zu machen – und um Denkanstöße zu geben. In zwei aktuellen Petitionen geht es um das liebe Geld…

Wenn’s um das liebe Geld geht, scheiden sich ja oft die Geister. Dann geht es um Neid und darum, wer mehr bekommen darf und verdient. Ruckzuck sind wir dann bei einer Gerechtigkeitsdebatte, die dann völlig abdriftet. Ändern tut sich allerdings wenig. Wie gruselig…

Aber kommen wir zu den beiden aktuellen Petitionen: Beide zielen darauf ab, dass die häusliche Pflege nicht vernünftig wertgeschätzt und honoriert wird. Denn obwohl auch wir verschiedene Geldleistungen für meine Pflege bekommen – es reicht nicht aus, Mama und Papa zahlen für die Entlastung (z.B. durch meine Buddys) jeden Monat obendrauf. Das ist Fakt.

Was bekommen Mama und Papa eigentlich? Das ist das Pflegegeld, die Verhinderungs- und die Kurzzeitpflege sowie der Entlastungsbetrag. Wie man was von wem bekommt, welche Anträge notwendig sind, was womit kombinierbar ist und wann was abgezogen wird – dafür benötigt man ein Studium…

Es wäre also schon großartig, den Bezug der Pflegeleistungen zu erleichtern – aber auch, sie zu verbessern (sprich: zu erhöhen). Daher unterstütze auch ich die beiden Petitionen. Macht gerne mit!