„Ich könnte das ja nicht…“

Ich (bzw. Papa als mein Ghostwriter) habe am Freitag völlig zufällig was ganz Außergewöhnliches gesehen: Eine beeindruckende Antwort auf die Aussage „Ich könnte das ja nicht…“, die Pflegekräfte und pflegende Angehörige häufig zu hören bekommen.

Erst mal zur Einordnung: Mama und Papa kennen das ja auch. Schon häufig haben die beiden auch diesen einen Satz gehört, der ja gut gemeint ist und anerkennenden Respekt ausdrücken soll: „Also ich könnte das ja nicht…“. Genauso geht es den vielen Pflegekräften in den Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen. Auch die kennen diesen Satz – und können ihn kaum noch hören…

Warum ist das so? Klar, Mama und Papa freuen sich auch über Anerkennung und Wertschätzung für das, was sie für mich leisten. Viel mehr würden sie sich aber über Entlastungsmöglichkeiten freuen, die es viel zu wenig gibt. Den Pflegekräften geht es genauso: Auch die freuen sich über den Applaus – würden sich aber viel mehr freuen über bessere Arbeitsbedingungen. Denn trotz allem machen die Pflegekräfte ihren Job ja gerne, ist er doch mehr Berufung als „nur“ ein Beruf. Die Frage ist nur, wie lange wir alle das noch durchhalten beim bekannten Pflegenotstand überall.

Kommen wir zu dem, was wir am Freitag zufällig gesehen haben. Und zwar den Auftritt von Leah Weigand bei der Talkshow „3nach9“. Da hat die Krankenpflegerin und Poetry Slammerin ihren Text „Ungepflegt“ vorgetragen:

Papa saß vorm Fernseher und war regelrecht „durch den Wind“: Was für ein bewegender, treffender und berührender Text! Besser lässt sich nicht ausdrücken, warum pflegende Eltern bzw. Pflegekräfte das alles machen – trotz immens hoher Belastung, teils miserabler Rahmenbedingungen und der Tatsache, dass die Pflegenden nicht gesehen und nicht gehört werden. Leah Weigand gibt allen Pflegenden eine wundervolle Stimme.

Beim Googeln hat Papa natürlich noch weitere Videos von Leah gefunden. An Leah: Großartig – vielen lieben Dank für Deine Worte!

Für Extra-Urlaubstage

Arzt- und Behandlungstermine, Hilfsmittel-Anproben, Therapien etcetc. Wie Ihr wisst, ist mein Terminkalender ordentlich vollgepackt. Und Mama und/oder Papa müssen nun mal immer dabei sein, was ordentlich Zeit frisst. Eine neue Petition will was dagegen unternehmen – und 10 Tage Sonderurlaub für pflegende Eltern erreichen.

Vor ein paar Monaten hatten zwei pflegende Mütter diese Petition auf change.org gestartet – mit großem Erfolg! Knapp 47.000 Menschen haben die Petition (Stand heute) bereits unterschrieben. Und es werden immer mehr…

Im September haben die beiden die Petition dann dem Petitionsausschuss des Bundestages zur Prüfung vorgelegt – und vor ein paar Tagen wurde die Petition genehmigt! Das heißt jetzt aber: Bis Ende November müssen auf dem Petitionsportal des Bundestages nochmal 50.000 Unterschriften eingehen! Daher auch meine Bitte: Teilen und mitzeichnen!

Ergänzend noch ein paar grundsätzliche Gedanken meinerseits dazu: Ich weiß, dass es sicherlich die ein oder andere kritische Stimme gibt – frei nach dem Motto: „OK, die haben sicherlich ein paar mehr Termine als wir – aber müssen die gleich 10 Sonderurlaubstage haben? Ich kriege doch auch keine… Und außerdem müssen dann die anderen Kollegen für die Kollegen mit Sonderurlaubstagen mitarbeiten!“

Klar kann man darüber diskutieren, ob es gleich 10 Sonderurlaubstage für pflegende Eltern sein müssen. Es geht aber gar nicht um die Zahl 10 – es geht vielmehr darum, dass Familien wie wir überhaupt gesehen werden und nicht weiter unsichtbar bleiben! Es geht darum, dass Mama und Papa – und somit auch ich – generell mehr Entlastung bekommen.

Papa hat das Glück, dass er einen relativ flexiblen Job hat und sich somit oft „freischaufeln“ kann für meine Termine. Die Konsequenz ist dann, dass er ganz oft abends „nacharbeitet“, sehr lange am Schreibtisch sitzt – und danach oder am Wochenende noch meinen Papierkram macht (Stichwort: Behörden, Krankenkasse, Widersprüche etcetc.).

Von daher: Ganz gleich, ob 1, 3, 5 oder 10 Sonderurlaubstage – Hauptsache wir werden gesehen! Daher nochmals meine Bitte: Teilen und Mitzeichnen! Und danke an die beiden Initiatorinnen!

Ideen gegen den Windelmüllberg

Alle zwei Wochen wird Papa zum geheimen Mülltonnen-Detektiv. Aber nicht, weil er Müllsünder aufspüren will. Nein, er sucht vielmehr in anderen schwarzen Restmülltonnen in der Nachbarschaft nach Platz, um dort meinen Windelmüll loszuwerden. Das ist irgendwie erniedrigend…

Dieses Bild steht symptomatisch für die Situation alle 14 Tage: Unsere 120-Liter-Restmülltonne quillt über; gut 3/4 des Tonneninhalts sind meine Windeln bzw. anderer Pflege-/Inkontinenzmüll. Klar, ich bin ja nun mal 15 Jahre alt, meine Windeln sind größer und damit auch die Windelmüllberge.

Immer, wenn Papa am Abend vor der Restmülltonnen-Leerung durch die Nachbarschaft streift und Windelmüll verteilt (was ja auch noch illegal ist!), dann machen wir uns Gedanken, wie sich dieser erniedrigende Umstand auflösen lässt. Ideen gibt’s schon längst; andere Kommunen wie der Landkreis Kitzingen in Bayern sind da schon viel weiter und familien- und pflegefreundlicher – und bieten die Windeltonne an.

Die Windeltonne im Landkreis Kitzingen hat ein Extra-Schloss, ist von der Grundgebühr befreit und gezahlt werden lediglich die Leerungen. Die Anmeldung und das Prozedere sind total einfach und super auf den Bedarf von pflegenden Angehörigen ausgerichtet. Besser geht es kaum!

Andere Kommunen (wie hier die Stadt Osnabrück) sollten sich das mal ansehen und überlegen, ob die Einführung einer Windeltonne nicht ein tolles Signal wäre, auch pflegende Angehörige (die ja ansonsten bekanntermaßen unsichtbar und unerhört sind) mehr im Blick zu haben…